Aussegnungshalle
Mit der Erweiterung des alten Friedhofs in Memmingen wurde die damalige Leichenhalle 1875 errichtet. Nach der Eröffnung des neuen Waldfriedhofs wurde im Jahr 1959 die Nutzung als Friedhof eingestellt und damit verlor auch die Aussegnungshalle ihre Funktion. Neben Lindau und Straubing stellt die heutige Parkanlage einen der drei ältesten Friedhöfe in Deutschland mit erhaltenen Grabmälern aus dem 17. bis 20. Jahrhundert dar. Seit den 1970er-Jahren dient das Bauwerk der Memminger Stadtkapelle als Übungsraum. Mit den Jahren kam der Bedarf nach einer Vergrößerung des Probesaals auf.
Im Zuge der Sanierung wurden für eine Erweiterung des Saals innerhalb der vorgegebenen Kubatur die Innenräume neu strukturiert, nichtbauzeitliche Elemente zurückgebaut und die Fassade ertüchtigt. Mit der Enthüllung von Vorhandenem lässt sich überraschend eine neue Großzügigkeit entdecken. Als neues Schmuckstück in Memmingen wird der sanierte Probesaal in Zukunft auch für Konzerte erlebbar.
Bei der ehemaligen Aussegnungshalle handelt es sich um ein zweigeschossiges Gebäude mit seitlich eingeschossigen Anbauten. Die zum alten Friedhof orientierte, giebelständige Hauptfassade ist reich gegliedert und verziert. An den Seitenfassaden sind Gebälk und Fenster akzentuiert, während sich die Rückseite nahezu schmucklos präsentiert. Die Fassaden wurden im Wesentlichen aus Ziegelmauerwerk errichtet. Schmuckelemente bestehen aus Putz, beziehungsweise aus Fertigteilen aus Kunststein.
Die Ostfassade des Gebäudes zeichnet sich durch ein reich ornamentiertes und gerahmtes Giebelfeld als Hauptschauseite aus. Zentrales Gestaltungselement des Giebels sind florale Elemente wie Ranken und Mohnkapseln, die in anschaulicher Art und Weise die Trauersymbolik des Klassizismus wiedergeben. Vor den Umbaumaßnahmen waren zwei der drei Rundbogentüren des Saals verschlossen. Diese wurden mit der Sanierung wieder geöffnet. Die neue Erschließung der Treppenanlagen über alle Türelemente ermöglicht eine Verzahnung des Innenraums mit dem angrenzenden Hof.
Neben Fundamentertüchtigungen wurde die Fassade gereinigt und überarbeitet und die Giebelseite wiederhergestellt. Beschädigte Stuckkonsolen und Sockelsteine wurden aufgearbeitet und ergänzt. Türen und Fenster wurden ersetzt. Nach der Sanierung ist der neugestaltete Eingangsbereich barrierefrei zugänglich. Für eine bessere Nutzung wurde die vorhandene Treppe im Innenraum gedreht und fügt sich als neuer Möbeleinbau aus Eichenholz mit integrierter Garderobe selbstverständlich in das Raumgefüge ein. Der Boden aus geschliffenem, dunklem Gussasphalt mit dezenten Einschlüssen verbindet alle Räume visuell.
Im Probesaal wurde die vorhandene Abhangdecke entfernt und die bauzeitliche Kassettendecke darüber freigelegt. Die Befestigungen der zwischenzeitlichen Rasterdecke hatten den vorhandenen Stuck zu großen Teilen zerstört. Mit der Sanierung wurden in Absprache mit dem Denkmalamt viele Stuckkonsolen und -kränze bearbeitet und ersetzt. Die umlaufenden Lisenen und Bögen wurden nach örtlichen Befunden neu aufgebaut. Unterschiedlich tief abgehängte Akustiksegel geben auch in Zukunft weiterhin den Blick auf die reich verzierte Stuckdecke frei. Die ergänzende Komposition aus runden Segeln und Ringleuchten greift das Spiel der Ornamentik auf.
Neben den abgehängten Segeln sorgen eine Akustikdecke sowie ein Akustikregal im Seitenarm des Saals für einen verbesserten Klang. Das Element aus schwarz gefärbtem MDF und Eiche führt die vertikalen Lisenen-Einteilungen visuell im Raum weiter. Verschiedene Neigungen sowie Bearbeitungsweisen der Oberflächen sorgen für eine Absorption, Reflektion und Streuung des Schalls. Neben der Verbesserung der Akustik kann das Möbel auch funktional genutzt werden und bietet ausreichend Stauraum für die Stadtkapelle. Über die Funktion hinaus verleiht die geometrische Struktur des Objektes dem Raum eine elegante Erscheinung. Das Zusammenspiel aus reduzierten und hochwertigen Oberflächen sowie grazilem Dekor aus Alt und Neu schafft einen zeitgemäßen Probesaal für die Stadtkapelle. Neuer Klang ertönt damit in alten Gemäuern.
Jahr 2023
Ort Memmingen
Auftraggebende Stadt Memmingen
Typologie Sanierung
Nutzung Musikerheim
Fotos Julia Schambeck, München