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Vöhlinschloss

Das zentral in Frickenhausen gelegene Vöhlinschloss wurde im 15. Jahrhundert von der Handels- und Patrizierfamilie Vöhlin erbaut. Als wehrhafte, freistehende Anlage mit dicken Mauern und zwei Türmen entstanden, erhielt das Bauwerk im 18. Jahrhundert zusätzlich zwei Zwerchhäuser an beiden Traufseiten und einen barocken Rittersaal im Dachgeschoss. Die gut erhaltene historische Bausubstanz macht das im Volksmund genannte „Schlößle“ zu einem einzigartigen Denkmal von nationaler Bedeutung. Für eine zukünftige Wohnnutzung wurde das denkmalgeschützte Schloss grundlegend saniert.

Beschreibung

Passend zu dem wehrhaften Charakter erstreckt sich das Schlossgebäude über dem teilunterkellerten Erdgeschoss auf beinahe quadratischem Grundriss mit zwei Obergeschossen, ausgebautem Dachgeschoss (3. OG) und kaltem Dachspitz eher in die Höhe als in die Breite. Die großflächig verputzten Fassaden und vergleichsweise kleinen Fensteröffnungen sowie die zwei Rundtürme an der Nordwest- bzw. Südostecke mit verschieden geformten Schießscharten verstärken diesen Abwehrcharakter. Der südöstliche Turm wird mit einem kegelförmigen Spitzdach, der Turm im Nordwesten flach durch eine verblechte Dachterrasse abgeschlossen. Dem Hauptgebäude ist ein Satteldach aufgesetzt, aus dem nach Norden und Süden und bündig zum westlichen Giebel je ein Zwerchhaus ausbricht. Auf der Ostseite sind drei Aborterker vorzufinden. An der Nordfassade ist ein weiterer Erker angebaut.

Baugeschichte

Um 1460 erwarb Erhard Vöhlin d. Ä. das Dorf Frickenhausen. Einige Jahre später wurden unter dessen Sohn, Leonhard Vöhlin, die Bauarbeiten für das Schlossgebäude aufgenommen. Neben den beiden Ecktürmen zur Verteidigung und Lager- und Wirtschaftsräumen im Erd- und Obergeschoss besaß dieses nur eine Wohnetage im zweiten Obergeschoss. In den Jahren 1491–93 wurde der Baukörper mit dem Aufbau des zweigeschossigen Satteldaches vervollständigt. Erst mit dem Barock fand 1725/26 zunächst im Inneren und vor allem auf das zweite Obergeschoss beschränkt die Umgestaltung und der Einbau einiger stilistischer Elemente statt. Dies umfasste zudem den Anbau der Aborterker und die Auflösung der dreiteiligen Grundrisszonierung. 1760/61 wurde das erste Dachgeschoss zu einem Vollgeschoss ausgebaut und es entstand der stuckierte Rittersaal sowie die Zwerchhäuser im Dachgefüge. Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts diente der Bau als Pfarrhaus und ging schließlich 1950 in Privatbesitz über. Insgesamt wurden die verwendeten bauzeitlichen Materialien und Architekturelemente im Laufe der Jahrhunderte nur vergleichsweise wenig überformt, sodass der Umfang und die Qualität der vorhandenen historischen Substanz von großer Bedeutung sind.

Voruntersuchungen

Durch die starken Verformungen an den tragenden Elementen des Gebäudes erschien es sinnvoll, ein dreidimensionales Aufmaß für eine möglichst realitätsnahe, verformungsgerechte Plangrundlage auszuführen. Dieses wurde mit dem Leica BLK360 Laserscanner über mehrere Tage hinweg aufgenommen und mit einem CAD-Programm auf zwei Dimensionen heruntergebrochen. Da das Schloss und die umgebenden Freiflächen als Einzel- bzw. Bodendenkmal ausgewiesen sind, mussten jegliche Erdarbeiten nach Vorgabe des Denkmalamtes archäologisch betreut werden. Dabei ging es zunächst um Eingriffe für die Baugrunduntersuchung und die punktuelle Begutachtung der Fundamente zur Prüfung der Standsicherheit mittels Rammkernbohrungen und Baggerschürfen.

Für dendrochronologische Untersuchungen wurden Bohrkerne zur Baualtersbestimmung entnommen. Bei den zu untersuchenden Hölzern handelte es sich hauptsächlich um Fichten, vereinzelt auch um Tannen. Die Auswertung der Proben ergab folgende Haupt-Schlag- bzw. -Bauphasen: Das Dachwerk, die Deckenbalken über dem ersten Obergeschoss und die Holz-Stabwand in dieser Ebene sind dem Spätmittelalter zuzuordnen. Die Fällung konnte auf Winter 1491/92 bzw. Sommer 1492 bestimmt werden. Die barocke Bauphase mit Einbau der Zwerchhäuser, der mittigen Überzügen über dem Rittersaal und der Fachwerk-Abseitenwände wurde durch die Bohrkern-Ergebnisse auf Winter 1760/61 bestätigt. Eine weitere Probe, die auf Winter 1725/26 datiert ist, gibt Auskunft über eine mögliche frühe barocke Einbauphase der stilistischen Elemente im zweiten Obergeschoss Anfang des 18. Jahrhunderts.

Sowohl im Gebäude als auch an den Fassaden wurde ein außergewöhnlich umfangreicher bauzeitlicher Putzbestand aus dem späten 15. Jahrhundert festgestellt. Die Bauzeit im Inneren ist vor allem im Erd- und 1. Obergeschoss erhalten, wo die Räume als einfache Lager- und Funktionsräume eher zweckdienlich gestaltet, die Wandoberflächen mit einfachen Mitteln geglättet und die Ausstattung nicht durch wechselhafte modische Zeitgeister überformt wurden. In den nachfolgenden Geschossen waren die Zimmer mit Wohnnutzung angesiedelt. Dort machen sich die barocken Umbauphasen bemerkbar, die sich wiederum in zwei Ausführungsabschnitte unterteilen lassen.

Statische Sicherung

Da aufgrund von statischen Berechnungen die erforderliche Grundbruchsicherheit nicht gewährleistet werden konnte, musste die Gründung ertüchtigt werden. Um weitere Setzungen durch tiefschürfende Abgrabungen für eine Unterfangung zu vermeiden, wurden die Fundamente in Bereichen mit geringer Einbindungstiefe durch Beton-Ausgießungen verbreitert und mittels Querzugstangen aus Edelstahl mit dem Bestands-Mauerwerk verbunden. Der Horizontalschub der Gewölbe wurde durch einen mit den Außenwänden verdübelten Ringanker in der Decke über dem Erdgeschoss abgefangen. Das umlaufende Stahlbeton-Element wird durch querspannende Zuganker zusammengehalten. Die vorhandenen Risse wurden kraftschlüssig geschlossen. Zusätzlich wurden Stahlstützen und -träger in die Zwischendecken bzw. vor die Flurwände gesetzt, die die unzureichend tragfähigen Binnenstrukturen entlasten und die anfallenden Kräfte an den Auflagern der Zwerchhäuser zusätzlich abfangen sollen.

Putzsanierung

Die hochwertige bauzeitliche Putzoberfläche wurde restauratorisch durch Hinterspritzungen und strukturelle Festigungen gesichert und schließlich mit einer materialgleichen Trennschicht vollflächig überputzt. Über eine Musterfläche von etwa zwei auf zwei Metern ist die spätmittelalterliche Zeitschicht jedoch weiterhin erlebbar. Um die Verträglichkeit zwischen alter und neuer Putzschicht und deren größtmögliche Konformität zu gewährleisten, wurde ein reiner, trockengelöschter Kalkputz nach Vorbild des Bestands angefertigt. Dabei wurden in einem Trog die sandigen Zuschlagsstoffe schichtweise mit Zwischenlagen aus gebrannten Stückkalk-Brocken gestapelt, mit Wasser übergossen und einige Tage ruhen gelassen. Die Oberfläche wurde in Kalktünche und weiß gefasst, die Begleitstriche an den Fenstern und die Eckquaderung der Zwerchhäuser wurden aufgrund mangelnder Informationsgrundlagen nicht rekonstruiert.

Kirchenmalerarbeiten

In der Rauchküche im zweiten Obergeschoss wurde beispielsweise die ursprüngliche blutrote Farbfassung wiederhergestellt. Dabei wurden die alten Schichten wie eine vorhandene Lehmsperrschicht bewusst erhalten und neu gefestigt. Der rote Farbton wurde mit natürlichen Pigmenten bemustert und neugefasst.

Kalkstampfboden

Als Grundlage des Bodenaufbaus im Erdgeschoss und Keller diente bisher das bloße Erdreich. Darauf wurde ein Kalkstampfboden eingebracht, der hervorragende raumklimatische Eigenschaften besitzt und zudem die Feuchtigkeit aus dem Untergrund aufnehmen und damit weiter reagieren kann und so mit den Jahren noch an Festigkeit gewinnt. Der Branntkalk wurde hierbei in Pulverform mit Wasser nass gelöscht und der dadurch entstandene Sumpfkalk mit örtlichen Zuschlägen zu einem recht trockenen Konglomerat vermischt, das auf der gesamten Erdgeschoss-Bodenfläche verteilt und anschließend festgestampft wurde. Nach einer Trocknungszeit von etwa einem Jahr kann der Boden geschliffen werden und wird, ähnlich eines Terrazzo, eine geglättete Oberflächenbeschaffenheit besitzen.

Holzkonstruktionen und -reparaturen

Der größtmögliche Erhalt der bauzeitlichen Hölzer aus den verschiedenen Bauabschnitten stand bei der Restaurierung in besonderem Mittelpunkt. Zu diesem Zweck mussten die auszutauschenden Stellen exakt lokalisiert und nur so viel entfernt werden, wie zwingend notwendig war. An den konstruktiven Bauteilen waren vor allem Fäulnisschäden sowie lose Verbindungen zu bearbeiten. Alle Auswechslungen wurden material- und handwerksgerecht, querschnittgleich und analog zum Bestand mit historischen Gefügeverbindungen ausgeführt.

Restauratorische Holzarbeiten

Die bauzeitliche Holzbohlenständerwand im ersten Obergeschoss wurde an den Schwellen querschnittsgleich ergänzt und erhält ihr früheres, holzsichtiges Erscheinungsbild zurück. Mit Hilfe einer Ziehklinge wurden die Kalkschichten händisch abgezogen, ohne das Holz selbst zu beschädigen. Durch den Einsatz von Leim wurde die Oberfläche gesichert und retuschiert. Parallel dazu wurde ebenso die gegenüberliegende Fachwerkwand wiederhergestellt. Im ersten Obergeschoss wurde im Zuge der Voruntersuchungen unter barocken Putzflächen eine schwarz gefasste Rennaissance-Decke mit Profilleisten, inklusive Bohlenwand entdeckt. Mit der Sanierung wurden diese gesichert und zimmermannsmäßig ergänzt. Die Oberflächen wurden mit Leim eingefasst und mit schwarz pigmentierter Lasur eingelassen.

Tür- und Treppenfassungen wurden nach vorhandenen Befundungen wieder monochrom in barockem Blau eingefasst. Fehlende Beschläge wurden ergänzt und verzinnt. Die Fenster, die zum größten Teil aus dem 20. Jahrhundert stammen, wurden ausgebaut und durch neue Fenster mit Maßen und Teilung nach Vorlage des Bestands ersetzt. Die historisch erhaltenen Fenster aus dem 18. Jahrhundert wurden restauriert und durch innenseitig vorgesetzte Isolierglas-Fenster energetisch ertüchtigt. Die Schießscharten in den Eck-Türmen wurden dort, wo sie ausgemauert worden waren, wieder geöffnet und durch eine innere, vorgestellte Glasscheibe gegen Witterung gesichert.

Steinmetzarbeiten

Im ersten Obergeschoss mit bauzeitlichem Bestand aus dem späten Mittelalter wurde ein handwerklich gefertigter Ziegelboden verlegt. Die Tonziegel stammen aus einer Manufaktur in Niederbayern, die aus einem regionalen, natürlichen Lehmvorkommen das Rohmaterial verarbeitet. Der Ton wird dafür in Holzformen mit eigenem Format geschlagen und gebrannt. Vor Ort wurden die Ziegel auf einem Kalksanduntergrund verlegt und mit einer Kalksandfuge verfugt.

Das Dach wurde mit naturroten Biberschwanz-Ziegelplatten in Doppeldeckung neu verkleidet, wo möglich wurden die alten Ziegel wiederverwendet. Die Natursteinarbeiten am Dach umfassten außerdem Zierelemente aus Tuff- und Sandstein, die restauriert und ergänzt wurden.

Spenglerarbeiten

Im handwerklichen Verfahren wurden Rinnen- und Aublaufkörper aus Kupfer gebogen und gefalzt.

 

Jahr 2023

Ort Lauben

Auftraggeber Privat

Typologie Restaurierung und Umbau

Nutzung Wohngebäude

Auszeichnungen 2024 Denkmalpreis Schwaben
2023 Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege – 1. Preis

Fotos Nicolas Felder, Wiggensbach